DEUTSCHLAND UND „SEINE“ SERBEN – Itervju Dr.Vladimira Umeljića sa Monikom Knoche, Saveznim poslanikom Nemačke (Das Interview wurde in der serbischen Wochenzeitschrift „Pečat“ veröffentlicht)

DEUTSCHLAND UND „SEINE“ SERBEN

Was für Fragen haben bloß zwei in Deutschland politisch verbrämte „Suspektobjekte“ (inländisch – DIE LINKE und ausländisch – die Serben) zu bereden? Ein Gespräch am Vorabend des deutschen „Superwahljahres“ zwischen Monika Knoche MdB, der Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsfraktion DIE LINKE sowie Arbeitskreisleiterin für Internationale Politik und Dr. Vladimir Umeljic (Weltkongress der Serben) über die gegenwärtige politische Lage sowie über das historische und aktuelle Verhältnis zwischen Deutschland und den Serben.

1. Frau Knoche, das Superwahljahr steht unmittelbar bevor und findet nun erstmalig in einem Fünfparteiensystem in Deutschland statt. Zuerst eine allgemeine sachliche Frage: Warum sollte man DIE LINKE wählen? Denn bei den anderen Parteien weiß man, woran man ist… oder ist gerade dies der hinreichende Grund dafür?

ANTWORT: Auch bei den LINKEN weiß man, woran man ist. Sie ist die Partei des Völkerrechts und des Antimilitarismus. Die OEF Mission als Teil des weltweiten Kriegs gegen Terror lehnen wir konsequent ab. Darüber hinaus fordern wir den Abzug deutscher Soldaten aus dem NATO ISAF Einsatz. Er ist kriegsverlängernd und kontraproduktiv für Frieden und Freiheit in Afghanistan.

Sowohl SPD als auch die Grünen haben die Position der Friedenspolitik verlassen. Mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf Jugoslawien unter Rot/Grün wurde die Nichtangriffspolitik der Nachkriegsgeschichte in Deutschland definitiv beendet. Die Propaganda für den Tabubruch machte dabei der grüne Außenminister Joschka Fischer mit seinen Auschwitz Assoziationen und SPD Verteidigungsminister Scharping mit seinen Lügen vom Hufeisenplan.

Insbesondere die West LINKE und die Friedensbewegung hatten bis zum Einzug der Fraktion DIE LINKE keine Repräsentanz im Bundestag. Nun hat ein aufgeklärtes internationalistisches Politikverständnis wieder eine Stimme im Parlament. Darüber hinaus entwickelten gerade die Frauen der Linken ein emanzipatorisches /feministisches Außenpolitikkonzept, das die Kooperation mit der Frauenfriedensbewegung und Aktivistinnen gerade auch mit Bezug auf die UN Resolution 1325 ins Zentrum stellt.

Die Profilierung einer LINKEN Außenpolitik ist uns in den Jahren unserer Parlamentszeit schon recht gut gelungen. Gerade erst hat die Fraktion ihre LINKE Position zur Auflösung der NATO, der Belebung der OSZE und der Reform der UNO als Alleininhaberin des Gewaltmonopols, beschlossen.

Ähnlich ist das auch auf dem weiten Feld der Sozial- und Arbeitspolitik. Von der Forderung nach Mindestlohn, über eine gerechte Steuerpolitik bis hin zur Re-Regulierung des gesamten Spektrums des durch Privatisierung, Deregulierung und Ent-Demokratisierung dem Markt und Wettbewerb zugeführten Allgemeinguts der Daseinvorsorge, reichen die alternativen Politikentwürfe. Diese haben gerade jetzt in der internationalen Finanzkrise eine neue Relevanz bekommen. Darüber hinaus ist unsere Ablehnung des EU Vertrages von Lissabon gegen den wir vor dem höchsten deutschen Gericht Klage eingereicht haben, ein Bekenntnis zur sozialen Gerechtigkeit. Die Ablösung der Kernenergie und die klimaschonende ökologische Wende gehören zu unserem pro-europäischen Verständnis genauso dazu wie dass wir keine Abschottung gegen Migration für Europa wollen. Wir können als kleine Partei auf eine Zustimmung der Wähler/innen von 12-14% zählen. Das zeigt auch, dass eine erkennbare Alternative zum Neoliberalismus der anderen und die konkrete Fassbarkeit unserer Vorschläge das Interesse vieler trifft.

2. Es ist zu erwarten, dass die politischen Gegner versuchen werden, Ihre Partei als den Kreide fressenden Wolf schlechthin hinzustellen: Um nun ganz kurz einige Gemeinplätze zu bedienen – zwei „geliebte Feinde“ der bürgerlichen politischen Szene (einschl. SPD) in Deutschland sind ja DIE LINKE und Oskar Lafontaine. DIE LINKE sei ein Sammelbecken der ehemaligen, gescheiterten und natürlich unverbesserlichen SED-Kommunisten, Lafontaine sei ein genauso gescheiterter, unzuverlässiger Renegat und heimatloser Geselle.

Nach Meinung mancher politischer Kreise (nicht nur) außerhalb Deutschlands gilt DIE LINKE allerdings als einzige echte Opposition und Oskar Lafontaine als der letzte deutsche Sozialdemokrat, was immer weniger mit dem Status des „liebsten Enkels“ Willy Brandts und immer mehr mit der Tatsache in Verbindung gebracht wird, dass sich die letzte SPD-geführte Regierung sowohl innenpolitisch (Agenda 2010, etc.) als auch außenpolitisch (Kosovo-Krieg, Afghanistan) von den traditionellen sozialdemokratischen Werten und Prinzipien ziemlich eindeutig verabschiedet hat. Ist DIE LINKE nun die „bessere“ SPD oder ist Oskar Lafontaine zu einer „marxistischen Gefahr“ geworden? Auch eine dritte Antwort ist willkommen.

ANTWORT: Darf ich darauf etwas persönlich antworten? Ich meine nicht privat, sondern mit Blick auf meine eigene Biographie als West Linke.

Ich stand der SPD nie nahe. Schließlich wurde unter Willy Brandt ein antikommunistisches Berufsverbot erlassen, unter dem ich als Mitglied der DKP litt. Die SPD war und ist antikommunistisch. Sie hat das Asylrecht abgeschafft und den NATO-Doppelbeschluss zu verantworten. Sie hatte bis vor einigen Jahren immer einen linken Flügel. Mehr nicht. Und der ist jetzt eben bei uns.

Man darf aber nicht unterschätzen, was Lafontaine positives für die SPD geleistet hat. Immerhin führte er sie in die Regierung zurück und machte Rot/Grün möglich. Nur wusste er vielleicht nicht wie rechts die Spitze der Grünen schon damals war und wie heimtückisch der rechte Flügel der SPD ihn desavouieren würde. Die erste Kriegsführung gegen Jugoslawien und die radikale Abwendung von der sozialen Marktwirtschaft hin zum Neoliberalismus in der realen Regierungspolitik war mit dem programmatischen und faktischen Politikanspruch Lafontaines nicht mehr vereinbar. Vom Mobbing gegen ihn einmal abgesehen, blieb Lafontaine gar nichts anderes übrig als zurückzutreten. Am Tag der Nachricht seines Rücktritts haben die so genannten Realos in der grünen Fraktion Beifall geklatscht. Er aber bewies, dass er integer und moralisch handelt. Diese Tugenden fehlen allerorten in der Politik.

Bei allem Respekt für sein ganzes Handeln. Die WASAG als Abspaltung der SPD ist nicht identisch mit der emanzipatorischen LINKEN. Meine politische Sozialisation und meine negativen Erfahrungen mit einer rechten Gewerkschaft und der SPD werden immer Ansporn bleiben, aus der neuen Linken keine neue SPD werden zu lassen. Deutschland und auch Europa braucht eine aufgeklärte, der Emanzipation und der Ökologie verpflichtete, linke sozialistische Kraft.

3. Mit allem Respekt vor dem von Ihnen praktizierten politischen Anstand und der gebotenen Sachlichkeit, finden Sie nicht auch, dass die Vertreter Ihrer Partei viel zu oft relativ zahm und wie von einem Schuldkomplex erdrückt in der Öffentlichkeit auftreten? In der Fernsehdiskussion nach der letzten und ziemlich denkwürdigen Hessenwahl beispielsweise hatte der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle sehr öffentlichkeitswirksam betont „Wir haben nicht so lange die Kommunisten bekämpft, um ihnen jetzt die Teilhabe an der politischen Macht in unserem Lande zu ermöglichen!“. Ihre Vertreterin, die daneben stand, hat zwar das Gesicht verzogen aber geschwiegen.

Könnte man im Superwahljahr auch von Ihnen einmal erwarten, einen Herrn Westerwelle und seine Partei genauso öffentlich zu fragen, wie sie z.B. zu ihrer Gründungsikone Friedrich Naumann stehen, der in einem Buch bereits 1915 ausdrücklich verlangt hatte, dass ein (Groß-)Deutschland in seiner Umgebung „nur Satellitenstaaten“ dulden könne sowie übrigens, dass Serbien von der geopolitischen Karte Europas „getilgt werden“ müsse? Oder, dass Sie den Christdemokraten die Liste jener Ex-Nazis vorhalten, die nach dem 2. Weltkrieg in ihren Reihen eine neue Heimat gefunden und die höchsten Staatsämter bzw. die größte Wirtschaftsmacht erlangt haben? Würde dies nicht zur Versachlichung der Diskussion beitragen, nach dem Motto – die Steine und das Glashaus?

ANTWORT: Sie haben ja vollkommen Recht. Wir tun das auch. Vornehmlich Gregor Gysi ist zu solch offensiver Gegenwehr immer gut gewappnet. Im Osten, besonders in Sachsen, hat derzeit aber die CDU das Problem mit ihrem Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich, der eine erfolgreiche SED Karriere gemacht hatte bevor er in der Wende zur CDU überschwenkte.

Was die Aufarbeitung des Faschismus und die Skandalisierung der Integration von Naziverbrechern in das BRD System angeht, so ist sie ohne Die Linke, sprich die 68-er Bewegung, gar nicht zu denken.

Die CDU, CSU und FDP sind nicht legitimiert, der Linken ihre demokratischen und zivilisatorischen Leistungen abzusprechen.

Im Übrigen versteht sich nur ein geringer Teil der heutigen Mitglieder der Linken als Kommunisten. Aber natürlich muss der Gegenschlag gegen die Geschichtsvergessenheit und gegen die NPD Tolerierung weiter geführt werden. Wir Linke sind es, die heute von den Nazis gewaltsam angegriffen werden. Dazu schweigen die Bürgerlichen in Deutschland.

4. Sie stehen programmatisch für soziale Gerechtigkeit und friedliche Koexistenz in der Welt, was sich insbesondere eine Oppositionspartei gut leisten könne – soweit die gängige Meinung verschiedener mehr oder weniger glaubwürdiger Fachleute. Zugleich sind Sie einen „Marsch durch Institutionen“ angetreten, um „das System von innen“ zu verändern und es ist ein Erfahrungswert, dass dies bisher keinem gelungen ist – siehe die Grünen, die unter dem Machtmenschen Josef Fischer zu einer auch maßgeblich militärisch-expansiv agierenden Kraft mutiert sind (Kosovo-Krieg). Glauben Sie, dass Sie eines Tages mitregieren und Ihre jetzige Identität dennoch werden behalten können?

ANTWORT: Die Linke bezieht ihre Existenzberechtigung im deutschen Parteigefüge aus ihrer antimilitaristischen Position. Würde sie diese aufgeben, bräuchte niemand mehr diese andere Partei. Sie unterscheidet sich in der internationalen Politik von allen anderen, die, um „regierungsfähig“ zu werden, die Friedenspflicht abgelegt haben. Siehe SPD und vor allem die GRÜNEN.

Regierungsbeteiligung liegt für uns in weiter Ferne, da Grüne und FDP zu jedweder Form der Koalition unter Ausschluss der Linken bereitstehen. Unsere Vorstellungen und Grundsätze einer neuen Sicherheitsarchitektur des 21. Jahrhunderts setzen voraus, dass ein potentieller Koalitionspartner sich diesen unseren Positionen annähert. Unsere Idee einer Auflösung der NATO, einer Neubegründung der OSZE und einer Reform der UN, werden wir auf dem NATO-Gegengipfel 2009 in Straßburg/Baden-Baden deutlich artikulieren. Unsere Wahlprogramme für die Bundestags- und Europawahlen in 2009 werden das unterstreichen.

Europa insgesamt braucht eine erstarkte Linke. In Frankreich sehen wir hierfür neue Zeichen. Aber auch in Osteuropa wünschen wir, dass neue linke Kräfte hervortreten, die einen Politikwechsel der EU in ihrer ESAP und EVSP verlangen. In Lateinamerika sind mit Venezuela, Bolivien und Ecuador hoffnungsvolle Wege beschritten. Sie konnten nur beschritten werden, da die Bevölkerungen stark genug sind, Veränderungen auf demokratischem Weg durch Wahlen und Verfassungsänderungen einzuleiten.

5. In Deutschland leben seit mehreren Jahrzehnten etwa 800 000 Serben. Ca. 25% davon dürften bereits die deutsche Staatsbürgerschaft und somit das Wahlrecht erworben haben, und die Tendenz ist eindeutig steigend. Sie gelten als gut integriert, allerdings auch als mit einem historisch bedingten Loyalitätskonflikt behaftet: Im 20. Jh. haben bekanntlich deutsche Soldaten dreimal und im Rahmen jeweiliger Militärallianzen (Zentralmächte 1914, Achsenmächte 1941, NATO-Mächte 1999) ihre Heimat angegriffen und Zerstörungen, Mord und Leid hineingetragen.

Auch die „deutschen Serben“ wissen selbstverständlich, dass es im deutschen Sprachgebrauch hieß „Serbien muss sterbien!“ (1914), „Serbien ist Eiterbeule des Balkans und gehört ausgebrannt! (1941) bzw. „Wir müssen Serbien in die Knie zwingen! (Klaus Kinkel, 1992). Der völkerrechtswidrige NATO-Krieg sowie die völkerrechtswidrige Anerkennung der abtrünnigen südserbischen Provinz Kosovo und Metohija sind nach wie vor aktuell und allgegenwärtig. Warum sollten die serbischstämmigen Wähler – und sicherlich manche russisch-, griechischstämmigen, etc. – nun DIE LINKE wählen?

Noch ein Stichwort: Ich habe die untere Frage bereits – und nicht nur einmal – in einer Gesprächsrunde mit deutschen Politikern aus dem bürgerlichen Lager aufgeworfen und entweder lediglich „Milosevic ist an Allem schuld!“ oder noch dazu etwas über die serbischen „paranoiden Weltverschwörungstheorien“ zu hören bekommen. Da ich weder daran glaube, dass Slobodan Milosevic für die Ereignisse von 1941-1945 zur Verantwortung gezogen werden kann, noch dass es eine kollektive „Serbische Paranoia“ der betreffenden politischen Analytiker gibt (die zwei unten angeführten geopolitischen Karten des Balkans kann jeder übereinander legen und seine Schlussfolgerungen ziehen), möchte ich Sie als Expertin Ihrer Partei für die internationale Politik um eine diesbezügliche Stellungnahme bitten.

Vorab – nur ein hirnloser oder ein böswilliger Mensch könnte die NATO-Demokratien mit Adolf Hitler gleichstellend vergleichen. Um so interessanter ist es, die geopolitische Aufteilung Jugoslawiens, die Adolf Hitler 1941-1945 (mit der entschiedenen Unterstützung der politischen Führungen der Slowenen, Kroaten, bosnischen Muslime und Albaner) militärisch erzwungen hat mit der dieses mal maßgeblich von den NATO-Demokratien in unserer Zeit (mit der gleichfalls entschiedenen Unterstützung der politischen Führungen der Slowenen, Kroaten, bosnischen Muslime und Albaner) militärisch erzwungenen Neuordnung des ehemaligen Jugoslawiens zu vergleichen:

Das Rumpf-Serbien nach dem Willen Adolf Hitlers und das Rumpf-Serbien nach dem Willen der NATO werden allmählich de facto gleich. Die ehemaligen Bestandteile Jugoslawiens, die dadurch in den Einflussbereich von Hitlers Militärbündnis bzw. heute des NATO-Miltärbündnisses gekommen sind, werden allmählich de facto gleich.

Kann also ein expansionistisches Militärbündnis aus ausschließlich unethischen Motiven (Nazis) und ein anderes expansionistisches Militärbündnis (NATO) aus ausschließlich ethischen Motiven (nach eigenem Bekünden – im Namen der Freiheit, Demokratie und Menschenrechten) das gleiche Ergebnis gewaltsam herbeiführen?

Mit anderen Worten, der Vergleich dieser zwei geopolitischen Balkanaufteilungen bezeugt eindeutig, dass es – bisher vermutlich einzigartig auf der ganzen Welt – hier zu einer massiven ja fast vollständigen Revision der Ergebnisse aller Kriege des 20. Jh. gekommen ist. Wohnen wir nun einer neuen Auflage des „Drang-nach-Osten“-Syndroms bei bzw. wird durch die – auch bundesdeutschen – Verfechter der „Neuen Weltordnung“ einmal mehr jene unheilschwangere Situation herbeigeführt, die auch die vorangegangenen Weltkriege wesentlich mitbedingt hat?

ANTWORT: Vielleicht sind wir Linke wirklich die letzten die den antifaschistischen Kampf serbischer Partisanen nicht vergessen haben. Es war aber auch der Bruch mit dem Völkerrecht weshalb wir den Angriffskrieg gegen Jugoslawien abgelehnt haben. Das war aufgrund der Menschenrechtsverletzungen der Milosevic Regierung schwer genug.

Heute klagen wir beim Verfassungsgericht gegen die Beteiligung deutscher Soldaten in KFOR. Das ist begründet. Da Deutschland das Kosovo anerkannt hat, besteht keine Berechtigung für die Beteiligung deutscher Soldaten an der KFOR. Wir sind die einzige Partei im deutschen Bundstag die die Separation des Kosovo als völkerrechtswidrig benennt und auf eine Revision drängt. Deutschland hat die UCK unterstützt und sich damit einen Bärendienst erwiesen wie die jüngsten Vorgänge um die BND Mitarbeiter zeigen.

Die neu gewählte Regierung in Serbien hält erfolgreich an der UN Resolution 1244 fest und wehrt sich vor dem IGH gegen eine machtpolitische Instrumentalisierung dieser völkerrechtlichen Verpflichtung auf territoriale Integrität Serbiens. Immerhin sind auch Deutschland und die EU mit dem Vorhaben gescheitert, die UNMIK durch EULEX ersetzen zu wollen. Da nur 50 Staaten das Kosovo anerkannt haben und das Ende der Fahnenstange erreicht ist, gibt es Hoffnung dass das Völkerrecht in der Frage der Staatszerstückelung mit nationalistisch ethnischer Begründung, gestoppt wird.

Heute herrschen im Kosovo Korruption und Kriminalität. Wir Linke hören nicht auf, die gravierenden Fehler deutscher Jugoslawienpolitik, die mit der Anerkennung Kroatiens unter Genscher ihren Anfang genommen hat, zu skandalisieren.

6. Eine Gruppe „deutscher Serben“ hat dem Petitionsausschuss des Bundestages eine Petition vorgelegt, die eine Überprüfung bzw. eine Revision des Beschlusses der Bundesregierung in Bezug auf die Anerkennung der Sezession von Kosovo und Metohija von Serbien (Petition Nr. 3-16-05-08-035327). Inzwischen dürften etwa knapp 1 000 diesbezüglicher Unterstützungsschreiben bei dem Petitionsausschuss angekommen sein. Zugleich haben die Antragsteller um die Möglichkeit gebeten, diese Petition vor dem Ausschuss mündlich zu vertreten (abgelehnt). Sehen Sie hier eine Möglichkeit, dieses Vorhaben praktisch zu unterstützen?

ANTWORT: Ich kann die Vorsitzende des Petitionsausschusses nach dem Stand der Bearbeitung fragen. Letztlich entscheidet aber die Mehrheit der Fraktionen über die Empfehlungen an den Bundestag.

7. Wir leben in einer Medienzeit und eine erfolgreiche Politik bedient sich zunehmend einer bemerkenswert ethikfreien Usurpierung der Definitionsmacht. So konnte z.B. der damalige Bundeskanzler Schröder, als er deutsche Soldaten zum dritten Mal im 20. Jh. gegen Serbien in Marsch gesetzt hat, am 23. Juli 1999 im Frankfurter Rundschau erklären, dass dieser Bundeswehreinsatz dazu geeignet sei, „die historische Schuld Deutschlands auf dem Balkan verblassen zu lassen“, obwohl dort auch 1941-1945 die Deutschen zusammen mit den Albanern die Serben angegriffen, okkupiert und mehr als drangsaliert haben. So konnte auch ein „grüner“ Josef Fischer erklären, dieser NATO-Angriffskrieg, der gegen die UN-Charta, UN-Resolution 1244, Helsinki-Vertrag, Wiener Konvention, Bundesdeutsche Verfassung, den Vertrag „4+2“ bei der deutschen Wiedervereinigung, selbst gegen die damalige NATO-Satzung verstoßen hat, sei eine „legitime“ bzw. gar eine „friedenserhaltende Maßnahme“. Dies Alles wurde – dank der entsprechenden und äußerst erfolgreichen Medienkampagne – von den Menschen (= dem Wähler) widerstandslos hingenommen.

Wie kann man diesem überwältigenden Trend entgegen wirken bzw. wie kann man prinzipientreu bleiben, nicht zu gleichen Mitteln greifen und den Menschen (= dem Wähler) doch klar machen, dass man sich unterscheidet, dass der aktuelle Weg falsch sei und möglicherweise ins allgemeine Unglück führe? Konkret und auch um den Preis, dass ich mich teilweise wiederhole, wie wollen Sie dem zu erwartenden geballten Medienangriff auf DIE LINKE im nächsten Jahr standhalten, wenn Sie sich in jedem deutschen Haushalt möglicherweise als „verbrauchte Kommunisten, potentielle ideologische Verführer, gefährliche (Alp-)Träumer, inkompetente Geldverschwender“, etc. wieder finden? Mit anderen Worten – wie gedenken Sie, sich einen ausreichenden Zugang und eine einigermaßen faire Behandlung in Massenmedien zu sichern?

Denn – nur ein letztes Beispiel – wir erleben gerade ein globales Fiasko des ausufernden „Raubtierkapitalismus“-Systems und zugleich steigt paradoxerweise und medienwirksam das Rating der bürgerlichen bzw. neoliberalen Globalisten in Deutschland (FDP, CDU), die diese Katastrophe mit herbeigeführt haben, während die (linken) Mahner und Protestler in den Umfragewerten stagnieren oder fallen (?!). So müsste man eigentlich den Wähler noch zusätzlich überzeugen, dass seine – Ihrer Partei ggf. gegebene – Stimme letztendlich keine vergeblich vergeudete ist, nicht wahr?

ANTWORT: Ich war selbst dabei als die rot/grüne Regierung geschichtsverfälschend argumentierte und unterschlug, dass die Rote Armee und nicht die West Alliierten Auschwitz befreiten. Jeder, der zum Antikommunismus konvertiert, wird in Deutschland hochgejubelt. Dieses Schreckensbild, das den Linken gerne aufgestülpt wird, bestimmt aber nicht so die Wahrnehmung der Partei wie unsere Gegner sich das wünschen. In einigen Orten sind die LINKE nahezu eine Volkspartei mit einem Zuspruch von fast 30%. Selbst im Westen schreckt der Kommunist als Feindbild nicht wirklich.

Zu viele Menschen stimmen der Kapitalismuskritik zu, erleben sie doch jetzt bei der Finanzkrise wie das System funktioniert und sind interessiert daran, Alternativen zu Neoliberalismus und Kapitalismus kennen zu lernen.

8. Keine der deutschen politischen Parteien würde es momentan wagen, DIE LINKE als einen politischen Partner in Erwägung zu ziehen, trotz Ihrer beeindruckenden Prozentzahlen (zwischen 12-14% der Wähler). Sie betonen jedoch zu Recht, dass Sie auch so die politische Landschaft merklich beeinflussen. Wie viel Prozent der Stimmen brauchen Sie bei der bevorstehenden Bundestagswahlen Ihrer Meinung nach, um eine „positive Niederlage“ (ungenügend für die Mitregierungsoption, genug, um die Politik noch mehr mitzubestimmen) herbeiführen zu können?

ANTWORT: Weil die anderen vier Parteien sich so sehr gleichen, sind wir zuversichtlich und kämpfen um jeden Prozentpunkt. In östlichen Bundsländern wie Sachsen, Thüringen, und Brandenburg kann es schon 2009 gelingen die Regierung zu bilden. Auch das Saarland ist ein interessantes Beispiel. Hier tritt Lafontaine an. Über den Bundesrat hat man sehr viel gestaltende politische Kraft. Das darf man nicht unterschätzen, wenn es z.B. um Gesetze geht. Wir sind auch in den Kommunen gut verankert. Die Partei ist noch sehr jung und hat schon sehr viel erreicht. Ich bin um unsere Zukunft nicht bange.

9. DIE LINKE, mit ihrem politischen Kurs ist zurzeit eine ziemlich einsame Erscheinung in der internationalen politischen Szene, zumindest in der westlichen Welt. Sehen Sie da irgendwelche Nachahmungseffekte, potentielle Partner in der EU, denn die nächsten EU-Parlamentswahlen kommen bestimmt und dies dürfte die nächste große Herausforderung für Sie sein… Oder haben Sie jemanden in Sicht? Vielleicht auch in Serbien, das für Sie persönlich auch keine politische Terra incognita sein dürfte?

ANTWORT: Auch Serbien hat eine „neue“ sozialistische Linke, die sich zum Zeitpunkt der jetzigen Regierungsbildung von einem rein nationalistischen Bekenntnis emanzipiert hat. Sie sollte sich der europäischen Linken zuwenden, nicht der sozialdemokratischen Internationalen. Bei den bevorstehenden Europawahlen tritt Lothar Bisky, unser Parteivorsitzender, zur Wahl an. Wir wollen, dass auch andere linke Parteien in West- und Osteuropa Mut schöpfen und aus der Depression und Stagnation heraustreten.

10. Abschließend mochte ich die unabdingbare Notwendigkeit einer historischen deutsch-serbischen Aussöhnung ansprechen, trotz der schwerwiegenden Hypothek der leidvollen gemeinsamen Geschichte. In serbischer Brust schlagen nicht selten mehrere Herzen: Man vergisst mitnichten das 20. Jh. und die wiederholten deutschen Angriffskriegshandlungen sowie auch maßlose Verbrechen „deutscher Henker“ in den serbischen Gebieten des Balkans, man erinnert sich jedoch zugleich gerne an die harmonische kulturelle Zusammenarbeit mit deutschen Denkern (Leopold von Ranke, Gebrüder Grimm, Johan Wolfgang von Goethe, Gerhard Gezemann, etc.) und denkt sogar ein wenig wehmütig an die frühe Völker- bzw. Staatsverständigung (der erste zwischenstaatliche Vertrag zwischen Deutschland und Serbien wurde Ende des 12. Jh. von dem serbischen Dynastiegründer Stefan Nemanja und dem deutschen Kaiser Friedrich II. Barbarossa in serbischer Stadt Nis unterschrieben).

Was würden Sie hinsichtlich dessen den Serben sowie den Deutschen raten? Was könnte bzw. was müsste man anders bzw. besser machen?

ANTWORT: Keine Geschichtsvergessenheit aber auch kein Verharren in den Dramen des 20. Jahrhunderts. Als Linke müssen wir das Heute und Morgen gestalten. Gemeinsam über die nationalen Grenzen hinweg.

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