Größtes NATO-Manöver seit 2006 in Lettland und Polen
6000 Soldaten proben den Ernstfall
In Lettland und Polen beginnt heute eine gigantische NATO-Übung mit rund 6000 Soldaten aus 22 Ländern. Das Bündnis will in höchster Alarmbereitschaft bleiben und sicherstellen, für den Ernstfall gewappnet zu sein.
Von Kai Küstner, ARD-Hörfunkstudio Brüssel
Den Begriff Selbstfindungsphase hören NATO-Generäle nicht so gern. Aber dass nun neue Zeiten anbrechen, leugnen sie nicht: Seit etwa 20 Jahren, angefangen in Bosnien, führt die NATO im Grunde ununterbrochen Krieg. Diese Phase großer Einsätze geht mit dem scheibchenweisen Abzug der Kampf-Truppen aus Afghanistan langsam zu Ende. Auch wenn damit nicht Frieden auf Erden herrscht.
„Wir können selbst jeden Abend in der Tagesschau sehen, dass wir nicht in einer friedliebenden Welt leben. Die Politiker müssen die richtigen Entschlüsse treffen und entscheiden: Wo wollen sie die NATO in Zukunft einsetzen und wo nicht“, sagt Hans-Lothar Domröse, Befehlshaber des sogenannten „NATO-Allied Joint Force Command“.
NATO macht sich fit für die Zukunft
K. Küstner, NDR Brüssel
02.11.2013 01:44 Uhr
Wie bei einem Fußballer
Domröse war in den vergangenen Wochen damit beschäftigt, eine gigantische NATO-Übung mit 6000 Soldaten zu planen. Es ist die größte seit 2006. US-General Philip Breedlove, der Oberbefehlshaber aller NATO-Einsätze, erklärt: „Während wir dabei sind, die ISAF-Mission der Afghanistan-Schutz-Truppe herunterzufahren, ist es an uns, neue Arten von Training zu entwickeln, die sicherstellen, dass wir in höchster Alarmbereitschaft bleiben.“ Es sei wie bei einem Fußballer: „Wenn sie verhindern, dass der trainiert, verringern sich mit der Zeit dessen Fähigkeiten.“
Deshalb spielen nun 22 Nationen Krieg anstatt Taliban oder Al Kaida zu jagen in einem Land, das weit jenseits der Bündnis-Grenzen liegt. Sie spielen die Situation, dass der Feind das NATO-Territorium selbst angreift. Der gigantische Aufmarsch ist brisant: Er findet sozusagen vor der russischen Haustür statt – in Lettland und Polen.
NATO-Befehlshaber garantiert Transparenz des Einsatzes
„Wir verschweigen nichts“, sagt Domröse. Russische Vertreter, Medien und verschiedene Gäste seien eingeladen. Es herrsche völlige Transparenz und das Manöver richte sich nicht gegen Russland – „sondern gegen jeden, der irgendwie auf die Idee kommt, die NATO anzugreifen“.
Das Bündnis wolle mit dem Mega-Drill seine Eingreiftruppe „NATO Response Force“ auf Trab halten. Diese sei eine Art Feuerwehreinheit, die bislang bei Naturkatastrophen wie dem Hurrikane Katrina in den USA oder auch bei der Sicherung der Olympischen Spiele in Athen zum Einsatz kam. Es sei eine Art Abiturtest, erklärt Domröse. Es müsse nachgewiesen werden, dass die Truppe in der Lage ist, ein komplexes Kriegsszenario durchzuspielen und zu vernünftigen Ergebnissen zu kommen.
NATO in der Selbstfindung?
Während sich die NATO fit machen will für die Zukunft, wäre es aus Sicht vieler eigentlich angebracht, die Vergangenheit aufzuarbeiten – und sich zu fragen, was in Afghanistan eigentlich schief gelaufen ist, da in Europa und den USA eher eine „Nicht nochmal“-Stimmung herrscht.
Hinzu kommt die Finanzkrise: Die NATO muss beweisen, dass sie noch gebraucht wird, gleichzeitig aber sparen und außerdem einsatzbereit bleiben. Vielleicht ist sie also doch angebrochen – eine Phase der Selbstfindung.
Stand: 02.11.2013 02:48 Uhr
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