SOK AKTUELL
Informationsdienst der Serbischen Orthodoxen Diözese
für Mitteleuropa
23. Februar 2010
«Durch Integration kann man Identität bewahren“. Interview mit Bischof Konstantin (Djokic)
Bischof Konstantin von Mitteleuropa
Am Anfang der Osterfastenzeit und im Vorfeld der geplanten Eröffnung eines zweisprachigen Internetportals des Informationsdienstes SOK AKTUELL hat der serbische orthodoxe Diözesanbischof von Mitteleuropa, Bischof Konstantin (Djokic), unserem Informationsdienst ein Interview gegeben. Bischof Konstantin sprach mit uns über seine Begegnungen mit dem neuen Serbischen Patriarchen Irinej, über die zwischenkirchlichen Beziehungen, die Integration und ihren Bezug zur konfessionellen und kulturellen Identität.
Herr Bischof, die Wahlversammlung der Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK), an der auch Sie teilgenommen hatten, hat am 22. Januar das 45. Oberhaupt der SOK gewählt. Was sind Ihre Eindrücke über die Person und die bisherige Arbeit des neuen Patriarchen?
Bischof Konstantin: Seiner Heiligkeit dem Serbischen Patriarchen Irinej bin ich zum ersten Mal im Jahre 1966 begegnet. Damals war ich als Abiturient am Priesterseminar auf einer Klassenfahrt, die uns zum Priesterseminar der Heiligen Kyrill und Method in Prizren (im Kosovo-Metohija, Anm.d.Red.) führte. Seine Heiligkeit war vor seiner Wahl zum Bischof Professor und dann auch Rektor an diesem Priesterseminar. 1974 wurde er zum Vikarbischof von Moravica und ein Jahr später auch zum Diözesanbischof von Nis gewählt. Als Bischof von Nis wurde er auch zum Patriarchen gewählt. Seine Heiligkeit hat mehrere Male unsere Diaspora-Diözesen besucht. Eine Zeit lang hat er auch als Administrator einiger Diözesen in Amerika gewirkt und dort einen großen Beitrag zur Überwindung des Schismas in unserer Kirche geleistet. Wir freuen uns, dass er auch die erste, Kleine Weihe der serbischen orthodoxen Kirche des Hl. Sava in Hannover im Namen von Patriarch Pavle im Jahr 1995 vollzogen und dass er auch an der Großen Weihe der Hl.-Jovan-Vladimir-Kirche in München im Jahr 1997 teilgenommen hat.
Seine Heiligkeit Patriarch Irinej hat nach seiner Wahl mehrere Statements gegeben, die auch im Ausland ein sehr gutes Echo fanden. Wir denken in erster Linie an seinen positiven Standpunkt zum Thema Papstbesuch in Serbien im Jahr 2013. Was ist Ihre Meinung hierzu?
Bischof Konstantin: Die Offenheit Seiner Heiligkeit für Gespräche mit Vertretern der Römisch-katholischen Kirche sowie der anderen christlichen Konfessionen war nie strittig. In diesem Kontext sollte man auch seinen „positiven Standpunkt zum Thema Papstbesuch in Serbien im Jahr 2013“ sehen, insbesondere weil es sich um das Jubiläum eines Ereignisses handelt, das zu einem Zeitpunkt stattfand, als die Kirche nicht geteilt war.
Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen in Bezug auf die zwischenkirchlichen Beziehungen in der Diözese Mitteleuropa selbst?
Bischof Konstantin: Ich habe als Bischof mehrmals gesagt, dass das Verständnis und die Unterstützung der christlichen Kirchen in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine sehr wertvolle Hilfe für das Organisieren der Mission der SOK war. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele Serben, vornehmlich politische Emigranten, durch historische Gegebenheiten dazu gezwungen, in den genannten Ländern zu leben. Als die Welle der ökonomischen Emigranten, der so genannten „Gastarbeiter“ kam, war das Verständnis der christlichen Kirchen, ihre Zurverfügungstellung von Kirchengebäuden und Gemeindehäusern und sogar die Übernahme der Finanzierung von Priestern sehr wertvoll für eine organisierte Tätigkeit unserer Kirche in der Diaspora.
Die Beziehungen von Christen und Muslimen sind heute eines der spannendsten Themen, wenn es um die interreligiösen Beziehungen geht. Seine Heiligkeit Patriarch Irinej hat vor kurzem die Muslime „unsere Nächsten und unsere Brüder“ genannt. Was ist Ihr Standpunkt hierzu ausgehend von Ihren Erfahrungen im ehemaligen Jugoslawien und in Mitteleuropa?
Bischof Konstanrin: An meiner Grundschule in Bijeljina (in Nordostbosnien, Anm.d.Red.) zwischen 1958 und 1962 hatten wir auch Muslime in unserer Klasse. Es gab keine nationale oder konfessionelle Intoleranz zwischen uns. Ich bin davon überzeugt, dass es damals für uns alle unvorstellbar gewesen war, dass es in den Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts zu solchem Unglück für alle Völker des ehemaligen Jugoslawiens kommen würde. Das war für mich auch in der Zeit von 1970 bis 1977 unvorstellbar, als ich für die Diözese Zvornik-Tuzla (Ostbosnien, Anm.d.Red.) gearbeitet habe. Ich möchte betonen, dass man zu jener Zeit viel über die guten nachbarschaftlichen Beziehungen sprach und dass man betonte, dass die Beziehungen zu Nachbarn sogar wichtiger als die Verwandtschaftsbeziehungen seien.
Eine der interessantesten Fragen in den Ländern Mitteleuropas, auf deren Territorium sich Ihre Diözese erstreckt, ist die Frage der Integration von Migranten. Was sind Ihre Eindrücke hinsichtlich der Integration von Serben in Mitteleuropa? Spielt auch die Kirche eine Rolle im Integrationsprozess?
Bischof Konstantin: In den Gesprächen mit unseren serbischen Mitbürgern habe ich den Eindruck gewonnen, dass eine große Mehrheit von ihnen keinen Unterschied zwischen Integration und Assimilation macht. Mit einem Wort: Für sie ist die Integration im Dienste der Assimilation. Meine Meinung ist anders: Ich denke, dass man durch die Integration die Assimilation einhalten und nicht fördern kann. Man soll auch die Grenzen der Integration kennen. Die Integration darf nicht auf Kosten der Identität eines Einzelnen oder eines Volkes verlaufen. Unsere Identität ist der orthodoxe Glaube und die serbische Volkszugehörigkeit. Wenn das nicht bedroht ist, können wir an der Integration in ökonomischen, multikulturellen und Bildungsprojekten arbeiten. Dass man durch die Integration die Identität bewahren kann, bestätigt auch das Beispiel der Jüdischen Gemeinde. Daher denke ich, dass die Menschen der Kirche sich nicht vor Integration fürchten sollen.
Die Integration der Serben unter Einhaltung ihres Glaubens und ihrer Kultur hat insbesondere in Österreich eine lange Tradition. In diesem Jahr feiert unsere Kirchengemeinde in Wien das 150-jährige Jubiläum ihres Bestehens. Können Sie uns sagen, wie man dieses Jubiläum begehen wird?
Bischof Konstantin: Wenn es um das Jubiläum der Hl.-Sava-Kirchengemeinde in Wien geht, möchte ich die Präsenz der Serben in dieser Stadt auch vor 1860 betonen, als die Gemeinde gegründet wurde. Es gab Serben in Wien auch vor der Großen Migration im Jahr 1690. Die Metropoliten und Patriarchen aus Karlowitz (in der serbischen Woiwodina, Anm.d.Red.) hatten geistliche Jurisdiktion über alle Orthodoxen in Wien. Die Kirchen des Hl. Georg und der Hl. Dreifaltigkeit in Wien, die jetzt der griechischen Gemeinde gehören, wurden für alle Orthodoxen dieser Stadt gebaut. Nach den offiziellen statistischen Angaben Österreichs aus dem Jahr 2001, leben in Wien 74.198 Angehörige der SOK, während die serbische Sprache von 97.824 Einwohnern Wiens gesprochen wird, so dass Serbisch die zweite Umgangssprache dieser Stadt ist. Angesichts dieser Angaben wurde die Initiative gestartet, ein serbisches Gymnasium in Wien zu gründen, so wie manche anderen Gemeinden das bereits getan haben. Unsere Überlegung ist, dass die Serben in Wien ein Elitegymnasium nach römisch-katholischem Modell haben sollen, das auch für Nichtserben offen wäre. Wir denken, dass das perfekte Beherrschen der deutschen Sprache die Bedingung für die Aufnahme in das Gymnasium sein sollte, aber dass diejenigen, die das Gymnasium besuchen, bis zum Abitur die serbische Sprache und die kyrillische Schrift erlernen sollten.
Wie werden in der Diözese Mitteleuropa die Beziehungen zur Heimat gepflegt?
Bischof Konstantin: Die Diözese Mitteleuropa ist genau wie die Diözesen in der Heimat organisiert. Unter Priestern und Gläubigen herrscht die Meinung, dass sie ein Teil der Heimat sei und dass Serbien unser Mutterland sei. Die jungen Menschen sehen sich immer mehr als Serben, während das Jugoslawentum, das ihre Väter belastet hat, für sie zur Vergangenheit gehört. Diese jungen Menschen nennen ihre Sprache „Serbisch“, während ihre Eltern häufig von „Jugoslawisch“ oder von „unserer Sprache“ geredet haben. Von einigen Menschen, die immer noch durch das Denken von vor dem Fall der Berliner Mauer und dem Zerfall Jugoslawiens geprägt sind, kann man Theorien über die „serbische Kirche in der Schweiz“ oder die „serbische Kirche in Berlin“ etc. hören, womit eine vermeintliche Besonderheit dieser Teile unserer Diözese betont werden soll. Darüber hinaus wird manchmal die Meinung gehört, dass unsere Kirche mit dem Umfeld gänzlich assimiliert werden soll, was von niemandem verlangt wird.
Was sind die Potentiale unserer Gemeinde in den Ländern Mitteleuropas und welche Rolle spielt die SOK in deren Entwicklungsprozessen?
Bischof Konstantin: Wir denken, dass es notwendig ist, den jungen Menschen Vertrauen zu schenken und sie dazu zu bringen, dass sie sich in die Strukturen der Länder, in denen wir leben, integrieren. Wir sind als Kirche mit dem Problem konfrontiert, wie wir die jungen Menschen motivieren sollen und sie davon überzeugen können, dass die Zukunft unseres Volkes und unserer Kirche von uns selbst, und nicht von anderen Menschen abhängt, die auch ihre eigenen Probleme haben. Wenn wir als Bevölkerungsgruppe auf Bewahrung unserer Identität bestehen – aber durch Integration, und nicht durch Gettoisierung –, werden wir, nach meiner Überzeugung, viel mehr respektiert und akzeptiert werden, als wenn wir in allen Aspekten die anderen über uns bestimmen ließen.
Die Diözese Mitteleuropa ist nach unseren Informationen die einzige Diözese der SOK, die einen regelmäßig tätigen, zweisprachigen Informationsdienst hat. Dieses Interview führen wir gerade im Vorfeld der geplanten Eröffnung des neuen Internetportals für SOK AKTELL. Was sind Ihre Erwartungen und Hoffnungen in Bezug auf die Informationsarbeit der SOK?
Bischof Konstantin: Der Informationsdienst unserer Diözese ist sehr wichtig, um die Vorurteile über die Serben und über die Orthodoxe Kirche abzubauen. Die Folgen der den Serben in den Neunzigerjahren aufgezwungenen ökonomischen Sanktionen, die Armut, die mangelnde Aufklärung, die Belastung mit Irrtümern der Vergangenheit und die Selbstsucht schaffen eine Atmosphäre der Apathie und des mangelnden Interesses, was kein gutes Zeichen für die Zukunft eines Volkes ist. Die Serben haben fünf Jahrhunderte lang ihre Identität unter Osmanen bewahrt, ebenfalls in der mächtigen und hoch organisierten Österreich-Ungarischen Monarchie, die ich in vielen Aspekten für einen Vorläufer der Europäischen Union halte. In diesem Kontext erwarte ich, dass unser Informationsdienst einen großen Beitrag zum Aufbau des gegenseitigen Vertrauens, besonders unter jüngeren Menschen, und zur Findung der Antwort auf die Frage, wie wir als orthodoxe Serben überleben und unsere Identität bewahren werden, leisten wird.
Das Interview mit S.E. Bischof Konstantin führte der Verantwortliche Redakteur des Informationsdienstes, Tihomir Popovic, Vizepräsident des Rates und Vorstandes der Serbischen Orthodoxen Diözese für Mitteleuropa.
40 neue Gemeinden in 18 Jahren: Kurze Biographie von Bischof Konstantin
Bischof Konstantin (bürgerlicher Name Krsta Djokic) wurde am 26. September in Gornje Crnjelovo in Semberien (Nordostbosnien) geboren. Nach der Grundschule in seinem Geburtsort ging er auf das Priesterseminar des Hl. Arsenije von Srem (Syrmien) in Sremski Karlovci (Karlowitz, Nordserbien) Mönch wurde er am 28. März 1970. An der Orthodoxen theologischen Fakultät Belgrad diplomierte er im Jahre 1974. Der spätere Bischof Konstantin arbeitete in der Diözese Zvornik-Tuzla (Ostbosnien) zwischen 1970 und 1979 und verbrachte ein Jahr in Amerika, wo er Englisch lernte und sich weiterbildete. Von 1978 bis 1982 war der spätere Diözesanbischof der SOK in Mitteleuropa Lehrer am Priesterseminar der Hl. Drei Hierarchen im Kloster Krka (Diözese Dalmatien, Kroatien). Von 1982 bis zu seiner Wahl zum Bischof im Jahr 1991 war er Professor und Haupttutor am Priesterseminar des Hl. Arsenije von Srem in Sremski Karlovci.
In den achtzehn Jahren seines Bischofsdienstes wurden in der Diözese Mitteleuropa etwa 40 neue Gemeinden eingerichtet. Mehrere größere Zentren der SOK bekamen neue Pfarreien, so dass heute in den meisten Großstädten auf dem Territorium der Diözese zwei oder sogar mehrere serbische orthodoxe Priester tätig sind. Bischof Konstantin förderte unermüdlich den Bau von neuen Kirchengebäuden, und hinterließ so eine sichtbare Spur der serbischen Orthodoxie in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Ebenfalls macht sich der Bischof für den Religionsunterricht an den Schulen stark und fördert die Studien der Kandidaten seiner Diözese an den orthodoxen theologischen Fakultäten in München, Belgrad und Foca (Bosnien).
Während des Bürgerkrieges in Jugoslawien wurde in der Diözese Mitteleuropa eine Diakonie-Kommission gegründet, die den notleidenden Menschen im ehemaligen Jugoslawien zumindest ein wenig helfen konnte. Auch wurde eine Kommission Kirche und Gesellschaft gegründet, die für die Kontakte zu den nichtorthodoxen Kirchen, den staatlichen Institutionen und der Zivilgesellschaft zuständig ist. Die Kommission organisiert, zusammen mit der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) auch die so genannten „Serbien-Tagungen“, die abwechselnd in Serbien und in Deutschland stattfinden und die maßgeblich zur Verständigung zwischen den Kirchen aber auch zwischen den Gesellschaften Deutschlands und Serbiens beitragen.
Gleichfalls wurde unter Bischof Konstantin der Informationsdienst SOK AKTUELL gegründet, der seit 2004 die in deutscher Sprache kaum verfügbaren Informationen in Bezug auf die serbische Orthodoxie allen interessierten Medien und Lesern zur Verfügung stellt.
SOK AKTUELL
Informationsdienst der Serbischen Orthodoxen Diözese für Mitteleuropa
Serbische Orthodoxe Diözese für Mitteleuropa
Obere Dorfstraße 12
D-31137 Hildesheim-Himmelsthür
www.diozese.eu (Homepage der Diözese)
www.sokaktuell.diozese.eu (Homepage des Info-Dienstes; derzeit im Aufbau)
Filed under: AKTUELNO, Немачки-Deutsch, Vesti | Leave a comment »